Inhalt
Die jugendliche Ich-Erzählerin Isa bricht aus einer Anstalt aus. In einem Dorf, das sie per Anhalter und zu Fuss erreicht, stiehlt sie aus einem Laden Essen, wobei sie sich Schnittwunden zuzieht. Nach einer Übernachtung im Kornfeld und einer nicht unentdeckt gebliebenen Dusche im Rasensprenger eines Fussballplatzes verschafft sie sich Zutritt zu einem Lastkahn. Nachdem ihr der Schiffer diesen ursprünglich verwehrte, verbindet er ihr die Füsse. Später folgt ihr ein taubstummer Junge, mit dem sie sich aber dennoch unterhält.
Isa beobachtet einen Mann, wie er den Rasen seines Gartens mäht, und bietet ihm an, die Arbeit gegen eine Entlöhnung zu übernehmen. Ihr Weg führt sie weiter in einen Wald, wo sie einen toten Rehbock und einen toten Mann findet, dessen Pistole sie entwendet. Auf einer Müllkippe trifft sie auf zwei Jugendliche – die beiden Jungen aus «Tschick» –, denen sie an einer nahe gelegenen Tankstelle hilft, Benzin aus einem Auto abzuzapfen, worauf diese sie mitnehmen. Schliesslich findet sie sich auf einem Berg wieder, wo sie nah am Abgrund stehend mit der Pistole in die Luft schiesst und die Kugel wieder millimetergenau zurück in den Lauf fällt.
Weitere Informationen
Dauer: ca. 80 Minuten ohne Pause
Altersempfehlung: 12+
Live-Einführung und Nachgespräch: Informationen hier.
«Herrndorfs Poesie ist pur und direkt, unendlich traurig und berückend schön.»
Besetzung
Besetzung
Inszenierung Nadine Schwitter
Bühnenbild, Kostüme und Video Andreas Bächli
Musik Daniel Steiner
Lichtgestaltung Mario Bösemann
Dramaturgie Patric Bachmann
Regieassistenz und Inspizienz Joëlle Anina Müller
Regiehospitanz Yael Stricker
Mit
Gabriel Noah Maurer
Nadine Schwitter
Daniel Steiner
Technik
Technik
Technischer Direktor Günter Gruber
Leitung Ausstattung und Werkstätten Vazul Matusz
Schreinerei Simon Kleinwechter (Leitung) | Steven McIntosh | Raphael Schärer
Malsaal Daniel Eymann (Leitung) | Julian Scherrer
Dekorationsabteilung Ursula Gutzwiller
Requisiten Marianne Winkelmann
Maske Schauspiel Barbara Grundmann-Roth (Leitung) | Mandy Gsponer
Leitung Schneiderei Gabriele Gröbel
Schneiderei Catherine Blumer | Natalie Zürcher (Gewandmeisterinnen Damen) | Janine Bürdel | Sarah Stock (Gewandmeisterinnen Herren) | Christine Wassmer (Admin. Stellvertreterin) | Katrin Humbert | Dominique Zwygart
Ankleiderinnen Martina Inniger | Anja Wille
Technischer Leiter Adrian Kocher
Bühnenmeister Biel Samuele D'Amico
Bühnenmeister Solothurn Rémy Zenger
Technische Einrichtung Andreas Schwabe
Ton und Video Alex Wittwer
Leitung Beleuchtungsstatisterie Ulrich Troesch
und das Technik-Team TOBS!
Die Ausstattung wurde in den eigenen Werkstätten hergestellt.
1 – Nadine Schwitter
2 – Nadine Schwitter, Gabriel Noah Maurer
3 – Daniel Steiner, Nadine Schwitter, Gabriel Noah Maurer
4 – Nadine Schwitter, Gabriel Noah Maurer
© Joel Schweizer
Entstehungsgeschichte
«Bilder deiner grossen Liebe» ist, wie es im Untertitel heisst, ein unvollendeter Roman und wurde 2014 postum als Romanfragment veröffentlicht. Wolfgang Herrndorf begann mit der Niederschrift des Romanfragments 2011, zwei Jahre vor seinem Tod. In seinem autobiographischen Sterbetagebuch «Arbeit und Struktur» taucht das Romanfragment noch unter dem Arbeitstitel «Isa» auf. So berichtet Herrndorf etwa am 19. Juni 2011: «Tschick-Fortsetzung aus Isas Perspektive angefangen.» Laut Herrndorf ist es eine Fortsetzung des Romans «Tschick» aus der Sicht der Protagonistin Isa Schmidt in Form einer Road-Novel zu Fuss. In der Literaturwissenschaft erhielt das Buch grosse Beachtung. Vor allem die Erfahrung der Welt durch die Erzählerin und ihre Beschreibung davon werden dabei ins Zentrum gerückt. Ein Prinzip des Textes sei das Aufspannen der Gegensätze Natur und Kultur, Tier und Mensch, Wunsch und Wirklichkeit, sowie Verrücktsein und Normalsein. Lange wollte Herrndorf den Text als Fragment gar nicht veröffentlicht haben. Erst ca. eine Woche vor seinem Tod konnte er sich durchringen, Marcus Gärtner und Kathrin Passig als Herausgeber zu erlauben, den Text behutsam zu bearbeiten und zu einer linearen Erzählung zusammenzufügen. Gleichzeitig sollte jedoch die Fragmenthaftigkeit erhalten bleiben.
Bilder deiner grossen Liebe - Auf den Punkt gebracht
«Alles geht vorüber, und schön ist das nicht. Die Welt ist schön. Aber dass alles vorübergeht und es keinen Halt gibt, ist nicht schön. Das ist meine Meinung.»
Isa, Bilder deiner grossen Liebe
Autor
Wolfgang Herrndorf, 1965 in Hamburg geboren, lebte in Berlin. Er hat Malerei studiert und für die Satirezeitschrift «Titanic» sowie für verschiedene Tageszeitungen gezeichnet. Ausserdem war er Illustrator bei verschiedenen Verlagen. 2002 erschien sein Debütroman «In Plüschgewittern». 2004 las Herrndorf in Klagenfurt beim Ingeborg-Bachmann-Preis, wo er den Kelag-Publikumspreis erhielt. Im Jahr 2008 wurde er für «Diesseits des Van-Allen-Gürtels» mit dem Deutschen Erzählerpreis ausgezeichnet.
Sein grosser schriftstellerischer Erfolg begann 2010 mit der Veröffentlichung von «Tschick». Zwei Jugendliche sind mit geklautem Wagen unterwegs. Auf ihrer Abenteuerfahrt treffen sie auf unterschiedlichste Menschen. Das Buch stand über ein Jahr lang auf der deutschen Bestsellerliste. 2011 erhielt Herrndorf für «Tschick» den Clemens Brentano Förderpreis der Stadt Heidelberg sowie den Deutschen Jugendbuchpreis, 2012 wurde er mit dem Hans-Fallada-Preis ausgezeichnet. 2016 wurde der Roman von Regisseur Fatih Akin verfilmt.
Nachdem bei Wolfgang Herrndorf im Februar 2010 ein bösartiger Hirntumor festgestellt worden war, begann Herrndorf ein digitales Tagebuch zu führen – seinen Blog «Arbeit und Struktur» –, in dem er offen über sein Leben mit der tödlichen Krankheit berichtete. Es erschien posthum im Dezember 2013 bei Rowohlt in Buchform, wie es sich der Autor gewünscht hatte. Herrndorf arbeitete nach der Diagnose intensiv an neuen Buchprojekten, die er unbedingt noch fertigstellen wollte. Am 26. August 2013 nahm sich Herrndorf in Berlin das Leben.
«Bilder deiner grossen Liebe», die Fortsetzung von «Tschick» aus der Sicht von Isa, erschien 2014. Herrndorf hatte der Veröffentlichung noch vor seinem Tod zugestimmt und auch den Titel selbst festgelegt. Seit 2015 wird dieser unvollendete Roman ebenso wie «Tschick» auf vielen Theaterbühnen inszeniert. 2019 produzierte der Bayerische Rundfunk ein Hörspiel.
Bilder deiner grossen Liebe - Meet the cast
Eine Selbstvergewisserung
Wie können Erlebnisse wieder erfahrbar werden? Wie erlebte Welt festgehalten? Wie Gedanken nochmal gedacht?
«Am Himmel, die Sonne, mein schöner Freund. Ich hebe also den Arm und zeige mit der Hand nach oben, so dass mein rechter Daumennagel genau den Rand der Sonne berührt, damit sie nicht mehr weiterwandert. Und da wandert die Sonne nicht mehr weiter, und die Zeit steht still. Das ist leicht. Und auch das ist leicht: mit sanftem Druck des Fingernagels schiebe ich die Sonne Millimeter für Millimeter zurück, und da weiss ich: Am Anfang war die Kraft. Isabel, Herrscherin über das Universum, die Planeten und alles. Wenn ich will, dass die Sonne steht, steht die Sonne. Wenn ich will, dass das Eisentor aufgeht, dann geht das Eisentor auf.»
So stellt sich Isa ihrem Publikum vor. Auf der Bühne lassen Nadine Schwitter und Gabriel Noah Maurer, unterstützt durch die elektronische Live-Musik von Daniel Steiner, Isas Tage nach ihrem Ausbruch aus einer Klinik Revue passieren.
«Ich renne. Ich sehe mich um, und ich weiss nicht, ob ich renne, weil ich Angst habe, oder ob ich Angst habe, weil ich renne, aber ich renne und höre erst damit auf, als der Wald zu Ende ist.»
Fotos, Songs, Tagebucheinträge zu Naturerfahrungen und Notizen über Begegnungen mit Tieren und Menschen sowie philosophische Betrachtungen über Zeit, Körper, Leben und Tod sind die Ausgangslage für einen Theaterabend, dessen Ausgangspunkt die Road-Novel «Bilder deiner grossen Liebe» von Wolfgang Herrndorf ist und sich wie ein Coming-of-Age Trip anfühlt.
«Ich schaue hoch. Es sieht aus wie ein grosses schwarzes Sieb mit unendlich winzigen Löchern, durch die Licht ferner Welten scheint. Unendlich viele Sterne, und ich frage mich, ob es wirklich unendlich viele sind, und wenn ja, ob abzählbar viele oder überabzählbar. Abzählbar würde ich schätzen.
Das Weltall ist grenzenlos, aber endlich, folglich ist es auch die Zahl der Sterne, und während ich nachdenke und hochschaue in die unendliche Kleinheit und Enge über mir, schreie ich. Ich stehe fünf Minuten auf der Stelle und schreie, der Boden fällt auf mich, und ich schreie und schreie, bis der Blick zum Nachthimmel mich davon überzeugt, dass es doch überabzählbar viele sind, und zwar, weil alles andere nicht zum Aushalten wäre, und deshalb sind es überabzählbar unendlich viele Sterne über mir.»
«Alles geht vorüber, und schön ist das nicht. Die Welt ist schön. Aber dass alles vorübergeht und es keinen Halt gibt, ist nicht schön. Das ist meine Meinung.»
«Ich renne. Ich sehe mich um, und ich weiss nicht, ob ich renne, weil ich Angst habe, oder ob ich Angst habe, weil ich renne, aber ich renne und höre erst damit auf, als der Wald zu Ende ist.»
Isa, Bilder deiner grossen Liebe
1 – Nadine Schwitter, Gabriel Noah Maurer
2 – Daniel Steiner, Nadine Schwitter, Gabriel Noah Maurer
3 – Nadine Schwitter
© Joel Schweizer
Ein Audio-Visuelles Konzert
Nadine Schwitter, Gabriel Noah Maurer und Daniel Steiner begeben sich mit ihrer Bühnenfigur auf eine musikalische Reise, machen überraschende Begegnungen und folgen Isas sprunghaften Gedanken und philosophischen Überlegungen. Sie spüren Isas Innenwelten anhand von Naturbeschreibungen, Songs, Tonaufnahmen und Erinnerungen nach.
Auf der Bühne liegt eine Rindenmulch-Welt, aus der sich Bäume aus Schwemmholz erheben. Zwei Müll-Container stehen in dieser abgestorbenen Landschaft verloren herum. Auf einer dieser Tonnen hat Daniel Steiner ein elektronisches Musik-Labor eingerichtet. Diesem entlockt er Klänge und Geräusche, die er zu seinem Zitherspiel mischt. Auf der anderen Seite der Bühne erzeugen die Spielenden an einer Videostation Traumbilder mittels Farben, Wasser und Fotos. So wird im Verlauf des Theaterabends die Welt der Figuren immer sichtbarer und komplexer.
Bühnenbild Digital - Bilder deiner grossen Liebe
«Im einen Moment denkt man, man hat es. Dann denkt man wieder, man hat es nicht. Und wenn man diesen Gedanken zu Ende denken will, dreht er sich unendlich im Kreis, und wenn man aus dieser unendlichen Schleife nicht mehr rauskommt, ist man wieder verrückt. Weil man etwas verstanden hat.»
Isa, Bilder deiner grossen Liebe
Unterstützung
Wir danken unseren Sponsoren & Partnern für Ihre Unterstützung.
Trägerschaft
Trägerschaft
Stadt Biel
Stadt Solothurn (mit Unterstützung von Kanton und Gemeinden der Repla Solothurn)
Kanton Bern
Gemeindeverband Kulturförderung Biel/Bienne-Seeland-Berner Jura
Impressum
Impressum
Herausgeber:
Theater Orchester Biel Solothurn TOBS!
www.tobs.ch
Saison 2024/25
Programm Nr. 2
Intendant: Dieter Kaegi
Schauspieldirektion: Olivier Keller | Patric Bachmann
Redaktion: Patric Bachmann
Übersetzung: Stefanie Günther Pizarro
Gestaltung: Republica AG
Fotos: Joel Schweizer
Fotoauswahl: TOBS!
September 2024
Fotografieren, filmen sowie Tonaufnahmen sind während der Vorstellung aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet.
Die Veranstaltungsplakate können an der Theaterkasse erworben werden.
Wir freuen uns über Ihre Rückmeldung zur Inszenierung: direktion[at]tobs.ch