Digitales Programmheft

Maria Stuart

Trauerspiel
von Stephan Teuwissen
nach Friedrich Schiller

Inhalt

Davisonn, früher in Diensten von Elisabeth I., lebt verarmt und allein in einem Bretterverschlag, einzig ein Spielmann taucht hin und wieder bei ihm auf. Die Geschehnisse von damals lassen Davisonn nicht los. Aus Elisabeths Händen empfing er das unterschriebene Todesurteil Maria Stuarts und reichte es Börrlie weiter. Darauf wurde das Urteil rasch vollstreckt. Diese «Schuld» wird Davisonn zeitlebens nicht los. Schamerfüllt spielt er die Ereignisse von damals unentwegt in seinem Kopf durch; in der aussichtslosen Hoffnung, die Geschichte möge einen anderen Ausgang erhalten. In diesem Spiel tauchen die Figuren auf, die damals die letzten Lebenstage von Maria Stuart entscheidend mitgeprägt haben, und beleben Davisonns heruntergekommene Bleibe.

Weitere Informationen


Dauer: ca. 2 Stunden 30 Minuten inkl. Pause
Altersempfehlung: 12+

Live-Einführung und Nachgespräch: Informationen hier.

Elisabeth I.

Elisabeth I.

1533 – 1603, Protestantin 
Königin von England, 1558 – 1603

Hält sich mit ihren politischen Entscheidungen an der Macht und prägt als Königin von England ein ganzes Zeitalter. Erwägt mit einer Heirat ihre Macht auf Frankreich auszuweiten. Sieht sich von Maria Stuarts Anspruch auf die Krone herausgefordert. Selbst im Kerker ist sie ihr eine Gefahr. Elisabeth entscheidet sich nach langem Ringen und unter dem Druck von vielen politischen Beratern für das Todesurteil. Ihre eigene Mutter, Anna Boleyn, hatte dieses Schicksal ereilt. Sie wurde wegen Ehebruch und Hochverrat ebenfalls enthauptet.

Maria Stuart

Maria Stuart

1542 – 1587, Katholikin 
Königin von Schottland, 1542 – 1567, 
sowie Königin von Frankreich, 1559 – 1560. 

Nach dem Tod ihres ersten Gatten Franz II. kehrt die erst 18-jährige Maria Stuart zurück nach Schottland. Dort muss sie infolge des Todes ihres zweiten Gatten, Lord Darnlie, an dessen Ableben ihr eine Mitschuld nachgesagt wird, abtreten. Sie wird gefangen genommen. Im englischen Exil versucht sie, ihren Anspruch auf die Krone Englands wiederholt geltend zu machen. Dabei wird sie unterstützt von der katholischen Kirche, die Elisabeth als uneheliche Tochter von Heinrich VIII und Anne Boleyn nicht anerkennt. Eine Kommission aus zweiundvierzig Adeligen befand über Marias Schuld.

Börrlie

Börrlie

1521 – 1598 
Englischer Politiker, führender Staatsmann und erster Minister von 1558 bis 1598, also während des grössten Teils der Regierungszeit von Königin Elisabeth I.

Politische Kräfte aus Frankreich überzeugten Elisabeth, Maria wieder auf den schottischen Thron zu bringen. Elisabeths Vorbedingung war jedoch, Maria müsse den Vertrag von Edinburgh unterzeichnen. Maria Stuart weigerte sich aber zeitlebens, diesen für sie mit politischen Nachteilen behafteten Vertrag zu unterschreiben. Dennoch verhandelte Börrlie auf Weisung Elisabeths hin weiter mit Maria. Elisabeth wich einer persönlichen Begegnung mit Maria, die letztere stets herbeisehnte, immer aus. Nach der Ermordung von Lord Darnley war Börrlie überzeugt, dass Maria Stuart am Tode ihres Gemahls beteiligt gewesen sein musste. Anders als mehrere andere englische Staatsmänner war Börrlie gegen eine Wiedereinsetzung Maria Stuarts als schottische Königin zu für England vorteilhaften Bedingungen. Er konnte sich jedoch bezüglich einer Hinrichtung Marias, die er sehr befürwortete, jahrzehntelang nicht bei Elisabeth durchsetzen. Schliesslich war aber er derjenige, der Davisonn das Urteil mit der Unterschrift Elisabeths abnahm und die letzten Schritte bis zur Vollstreckung befehlen konnte.

Lester

Lester

1532 – 1588 

Der englische Staatsmann, war der wichtigste Favorit Elisabeths I. von ihrer Thronbesteigung bis zu seinem Tod. Beim Versuch Elisabeths, Maria Stuart zu neutralisieren, schlug sie eine Heirat Lesters, ihrem eigenen Vertrauten, mit Maria vor. Diese Verbindung mit dem Engländer und Protestanten Lester hätte politisch viele Probleme gelöst. Elisabeth schickte einen Botschafter zu Maria Stuart mit der Nachricht, dass sie – bei Heirat mit Lester – «die verbriefte Bestätigung als nächste Cousine und Erbin des Thrones bekäme». Dieser Vorschlag wurde aber nie wirklich in Erwägung gezogen, nicht zuletzt, weil Lester selbst alles tat, um das Heiratsprojekt zu verhindern.

Mortimer

Mortimer

Gefängniswärter von Maria Stuart, glühender Katholik, verehrt Maria Stuart seit seiner Begegnung mit Kardinal von Gise.

Kardinal von Gise

Kardinal von Gise

1524 – 1574

Onkel von Maria Stuart, reichster und mächtigster Kirchenfürst Frankreichs.

Bellièvre

Bellièvre

1529 – 1607

Französischer Diplomat, soll eine mögliche Hochzeit zwischen Königin Elisabeth I. und Herzog von Anjou vorbereiten, lotet Stimmung in England und bei Königin Elisabeth I. aus.

«Maria! Wie weit kamst du, Maria? 
Begannst mit stolzer Hoffnung
auf Thron, Ruhm und Bestand,
verlorst dann alles und doch ...
Sähest du mich, Maria, jetzt,
hier im Palast, fest umfangen
von weisen Herren, Ratgebern
und dennoch ringend um Klarheit –
... Maria ...
Du bist frei im Verliess, 
darfst dort hoffen, streben,
ich, hier, erdulde Zwang, 
plane, wäge, statt zu wagen.»

 

Elisabeth, Maria Stuart

Besetzung

Besetzung

Inszenierung Mélanie Huber
Bühnenbild und Kostüme Lena Hiebel
Musik Martin von Allmen
Lichtgestaltung Michael Nobs
Dramaturgie Patric Bachmann 
Regieassistenz und Inspizienz Pascal Pointet, Yael Stricker
Regiehospitanz Zoe Leiser

Davisonn / Börrlie Fritz Fenne
Maria Stuart Kathrin Veith
Elisabeth Lina Hoppe
Hanna / Talbott Anna Blumer
Mortimer / Kent Fabian Müller
Lester / Kardinal / Bellièvre Miriam Japp
Rizzio Martin von Allmen

Technik

Technik

Technischer Direktor Günter Gruber

Leitung Ausstattung und Werkstätten Vazul Matusz
Schreinerei Simon Kleinwechter (Leitung) | Steven McIntosh | Raphael Schärer
Malsaal Daniel Eymann (Leitung) | Julian Scherrer
Dekorationsabteilung Ursula Gutzwiller
Requisiten Marianne Winkelmann
Maske Schauspiel Barbara Grundmann-Roth (Leitung) | Mandy Gsponer

Leitung Schneiderei Gabriele Gröbel
Schneiderei Catherine Blumer Natalie Zürcher  (Gewandmeisterinnen Damen) | Janine Bürdel | Sarah Stock (Gewandmeisterinnen Herren) | Christine Wassmer (Admin. Stellvertreterin) | Katrin Humbert | Dominique Zwygart
Ankleiderinnen Martina Inniger | Anja Wille 

Technischer Leiter Adrian Kocher
Bühnenmeister Biel Samuele D'Amico
Bühnenmeister Solothurn Rémy Zenger
Technische Einrichtung Andreas Schwabe
Ton und Video Alex Wittwer
Leitung Beleuchtungsstatisterie Ulrich Troesch

und das Technik-Team TOBS!

Die Ausstattung wurde in den eigenen Werkstätten hergestellt.

Maria Stuart - Auf den Punkt gebracht


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«Reicht mir die Hand, erlöst,
erhebt mich aus dieser Tiefe.
Eure Hand ist‘s, die ich erbitte.»

 

Maria, Maria Stuart

Interview mit Mélanie Huber, Regie

Mélanie, du arbeitest oft im Musiktheater, inszenierst Opern. Wie ist es bei «Maria Stuart» wieder einmal von einem Stücktext auszugehen?
Ich freue mich, mit «Maria Stuart» ein Kammerspiel zu inszenieren, bei dem ich bei der Figurenarbeit genauer und direkter sein kann, als es sonst bei einer grossen Bühne möglich ist.

In deinen Arbeiten hat die Musikalität stets einen sehr hohen und eigenständigen Stellenwert.
Mich interessiert die Musikalität an sich, das betrifft nicht nur «komponierte» Musik. Wir arbeiten einerseits mit komponierten Liedern von Martin von Allmen, aber ich suche auch die Musikalität der Sprache. Es geht um Klänge und Klangwelten.
Ich habe selbst immer Musik gemacht, das ist schlichtweg ein Teil von mir. Musik ist für mich eine Sprache, ein Kommunikationskanal und ich mag fliessende Übergänge von Wörtern zur Musik. In diesem Stück ist das auch deutlich angelegt, die bereits sehr musikalische Sprache geht immer wieder über in Gesang und vermag dadurch Unsagbares zum Ausdruck zu bringen. Auch transportiert das Singen Emotionen und erreicht uns im Publikum dadurch direkter. Wir singen ja als Kind oft, wenn wir Angst haben, und vielleicht ist das, weil uns das Singen hilft, schwierige Momente zu bewältigen.
Wenn das Ensemble in den Proben zusammenkommt und mit Martin von Allmen singt, ergibt sich ein anderes Zusammenspiel. Das Singen ist von Natur aus «ensemblestiftend». Gerade mit der Sprache von Stephan Teuwissen, die eine eigene Versform einsetzt und eine szenisch sprechbare Musikalität enthält, passt das natürlich sehr gut zusammen.

Du erwähnst Stephan Teuwissen. Er hat ein neues, eigenes Stück geschrieben, das auf dem historischen Hintergrund basiert und von der Vorlage von Friedrich Schiller ausgeht.
Es ist eine eigene Welt, die Teuwissen kreiert hat – natürlich mit den historischen Grundfiguren und Motiven aus Schiller. Er hat die Vorlage entschlackt und arbeitet mit einer Diktion, die dem Schauspiel viel näher ist und die mehr mit uns zu tun hat. Ihm – und uns allen! – geht es weniger um das sprachliche Beschreiben einer Vergangenheit, sondern um eine physikalische Präsenz. Was hier auf der Bühne stattfindet, ist Gegenwart. Teuwissen geht nicht mehr wie Schiller von der Tragödie aus, in der eine einzelne Figur versucht, mit Würde ihr Schicksal zu übersteigen und dabei «überhöht zugrunde» geht. In unserem Stück sind alle Figuren gleichwertige Teile der Erzählung, niemand kommt unbeschadet (oder glorios!) davon. Alle haben ihre Ambivalenzen, ihre Ängste, sind feige, ratlos, mutig oder verzweifelt. Alle gehen auf ihre Art zugrunde, scheitern an der Ohnmacht – oder an der Macht! Es ist also nicht weit davon entfernt, was wir abgeschwächt wohl auch in unserem Leben durchmachen. Und ich glaube, dass macht das Stück so aktuell, gibt ihm einen fast brutalen Bezug zu uns. Klar, im Stück hat es auch die grossen Leidenschaften, da sind Intrigen, Bestechung, Manipulation, Hinrichtung und Folter gang und gäbe. Aber wenn plötzlich deutlich wird, dass wir eine Ratlosigkeit oder Ohnmacht oder auch eine gemeinsame Trauer gegenüber dieser Welt oder diesem Scheitern auf der Welt empfinden, dann kommt auch wieder eine Gemeinsamkeit zustande, die uns ein wenig menschlicher macht und die uns einander irgendwie näher bringt. Darum geht es doch eigentlich im Theater, dass wir uns zusammen in einem Raum befinden, der für die Welt steht, und dass wir uns in diesem Raum beim Zusammensein wohl fühlen – oder doch wenigstens ertragen. Teuwissen hat das mal «einen neuen Wert der Würde» genannt, was mir sehr gefällt.

Magst du zur Konstellation der Figuren etwas sagen; worum geht es im Stück?
Einerseits liefern sich Maria und Elisabeth ein Machtduell. Beide beanspruchen Englands Thron. Nur die eine, Maria, ist im Gefängnis, im Kerker und die andere, Elisabeth eben auf diesem Thron. Sie misstrauen sich zutiefst, fürchten die Ansprüche der andern und gleichzeitig sind sie fasziniert voneinander. Maria will unbedingt mit ihrem Gegenüber reden und Elisabeth will das vermeiden. Sie fürchtet, dass sie da plötzlich an eine Grenze stossen könnte; die Grenze ihrer Macht, aber auch die Grenze ihrer Menschlichkeit. Aber das ist nur der vordergründige rote Faden des Stückes. Denn rundherum wütet ein Intrigenspiel der Gefolgschaft und der Verbündeten. Wer ist auf welcher Seite, wer erhofft sich welche Vorteile, wer ist zu welchem Verrat bereit? Und das changiert ständig innerhalb des Stückes: also wer ist (Möchtegern-)Liebhaber, wer ist Machthaber, wer ist Militärkopf, wer versucht, wen zu manipulieren? Alle haben andere Ziele, andere Strategien. Eigentlich geht es darum: Wer hält den Kopf über Wasser? Das ist uns mit der heutigen Welt, wo grad überall Krieg herrscht oder angehende Kriege angezettelt werden, leider allzu vertraut. Wenn du auf der falschen Seite bist, musst du schauen, ob und wie du wegkommst oder ob du für deine Haltungen einstehst und dich womöglich opferst.

Wie übertragen sich diese Fragen ins Publikum?
Dieser Stress der Figuren erzeugt eine Grundspannung, ergibt Reibungen, richtige Interferenzen, das Tempo der Ereignisse ändert sich dauernd und das Stück erhält dadurch einen eigenen Rhythmus. Das Spiel darf sich nicht auf die Schwere setzen. Es braucht einen ziemlichen Zug, eine Leichtigkeit, wenn das möglich ist, dann ist das krass zu sehen, was hier verhandelt wird. Eigentlich ist es wie ein toller Thriller, aber mit einer fast hip-hop-ähnlichen Sprachwucht. Es geht um Leidenschaften, es enthält Erotik, Gewalt und hat so viele Emotionen drin; man wird gleichzeitig berührt und kann es nicht von sich weisen …

«Elisabeth, wirf sie ab, diese Hülle,
den Pomp, die Krone, die Rolle;
das alles gehört mir, nicht dir,
du spielst die Königin
und spielst sie schlecht!
Ich bin die Stuart, ich!
Du bist nur Bildnis,
mein Bildnis
und sonst
NICHTS!»

 

Maria, Maria Stuart

Maria Stuart - Meet the cast


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«Ich hab nichts getan. 
Unterschrieben nur.»

 

Elisabeth, Maria Stuart

Anmerkungen von Stephan Teuwissen, Autor

In meinem Stück versuche ich, alle Figuren gleichwertig und dadurch auch gegenwärtig erscheinen zu lassen. Sie ringen mit ihrer Ohnmacht, sind Machtdynamiken ausgesetzt, die sie kaum verstehen und schon gar nicht beeinflussen können. Eine Grundtrauer ist bei allen Figuren vorhanden, mal offen, mal verdeckt. Manche sind sich ihrer Ohnmacht bewusst, andere leugnen sie, machen alles nur noch schlimmer, indem sie ihre Ängste weitergeben – oder beschönigen. 

Wer diese Menschen historisch gesehen auch waren, dieses sich mit den Widerwärtigkeiten des Alltages abgeben zu müssen, ist uns allen bestens bekannt. Ich erkenne mich, wenn auch manchmal mit Scham, in Maria, Elisabeth, gar in Börrlie wieder. Diese Figuren sind in ihrer Verwirrtheit, Verzweiflung, Verdrängung, Feigheit oder Naivität nicht besser oder schlechter als die nächste Person neben mir. Ist der Hintergrund des Alltags so düster oder unfassbar, treten daraus keine heldenhaften Gestalten hervor – und das ist m.E. auch besser so …

Eine grosse, tragische «Erbauung», ein moralisches Zentrum, oder eine Figur, die uns als Beispiel dienen kann, tritt dann auch nicht auf in meinem Stück. Dafür, so glaube ich, entsteht Raum für etwas, was für mich den Wert von Würde hat: Die Einsicht, dass auch andere von einer Ratlosigkeit der Welt gegenüber, von einer Grundtrauer heimgesucht werden. Das lässt Verbundenheit zu, eine Nachsicht mit meinen Mitmenschen. Die anderen sind – wenn auch in vielerlei Hinsicht anders – in ihrem Menschsein mir ähnlich. Vielleicht ist dieses Gefühl der Gemeinsamkeit in der Trauer heilender und dringender vonnöten als moralische oder ideologische Positionen.

Natürlich hab ich mich was Motive und Figuren angeht reichlich bei Schiller bedient, aber unterwegs ist dies ein eigenes Stück geworden, mit einem eigenen Leben und hat aufgehört eine Bearbeitung oder eine Fassung zu sein. So ist das Stück keine Tragödie mehr. Bei Tragödien dreht sich alles um eine Gestalt, die um ihre Würde ringt, die moralisch gefordert ist und daran wächst oder zugrunde geht. (Bei Schiller, etwas schroff verkürzt: Maria findet ihre Würde wieder, indem sie als tragische Gestalt ihr Schicksal annimmt.) Schiller hatte dabei eine Vorstellung von moralischer Belehrung. Die «Erhabenheit» ist bei ihm ein grosses Thema, die tragische Gestalt, die sich erhebt über die Wirren des Lebens. Das reizt mich heute kaum noch. Ich sehe vieles, das mich traurig macht, aber wenig davon ist «tragisch».

Darum heisst das Stück sehr bewusst «Trauerspiel». Es wird getragen von vielen Figuren, die sich – auch wenn sie das nicht wollen – schuldig machen, sie sind Komplizen dessen, was sie nicht gutheissen: Manipulation, Gleichgültigkeit, kulturelle, soziale, politische Verrohung. Niemand erhebt sich hier wirklich über die Welt.

Aufgebaut ist das Stück wie ein Bilderbuch: Die Szenen sind Momentaufnahmen von Spannungen und Zusammenstössen und weniger Teil einer stringenten «Geschichte». Ein Plot ist immer auch eine Form des Betruges; stellt er doch den Schein eines grossen Zusammenhanges her, den ich in meinem Leben kaum vorfinde. Und darum treten die Figuren auch nicht hierarchisch auf. Die historische «Nebenfigur» eines Davisonn ist mir so wichtig wie die Königinnen. Und die diversen Intriganten sind nicht nur diabolische Schurken, die als Kontrastfolie dienen für die noblen Gestalten, sondern sie besitzen eine – schreckliche – Menschlichkeit. Ich mag das Gefälle zwischen Helden und Nebenfiguren nicht, denn beides kenne ich nicht, weder Helden noch Nebenfiguren. 

«Mächtige Königin, ferne Schwester

Die, die nur bitten, flehen kann,
deine Verwandte, deine Gefangene,
die, die mal Maria war und Königin,
sie, die selber Bittschriften, Bettelbriefe erhielt,
sie annahm, ablehnte oder gar unbeachtet liess,
diese Maria, ich, deine Gefangene
verfasse nun selber Zeilen eines solchen strengen Briefes,
aus ihrer strengen Zelle heraus.
Hörst du womöglich meine Stimme?
Ach, ich staune, wenn mir die Stimme mal nicht versagt,
wenn sie einmal, kurz, nicht zittert,
sich nicht überschlägt, oder heiser haucht
oder sich in ohnmächtige Silben herabstottert ...
Ist meine Handschrift leserlich noch?
Keine Hand hab ich gebeten, dies zu schreiben,
zu dankbar bin ich für diese Tätigkeit
in meiner strengen Zelle,
dankbar, mich in Demut üben zu können,
wenn ich schreiben kann ... 
Doch ach – äfft meine Handschrift nun schon meine Stimme nach?
Diese Zitterzeilen, diese Flecken, diese Silben ohne Schwung,
so verkommen meine Handschrift.
Doch, meine Hand äfft meine Stimme nach,
Wanken, Schwanken und Versagen, 
das ist alles, was mir bleibt,
einer, deren Trauer nur noch taugt,
zum Nachäffen, als Gegenstand des Spottes ...
Schwester, Schwester, ich bitte dich,
gewähre mir eine Begegnung:
Nie standen wir uns gegenüber,
die Ferne macht uns ungewollt fremd
und Fremde werden so rasch zu Feinde,
Unverständnis ist ein Gnom der Entfernung,
Zuneigung dagegen das Kind der Begegnung.
Mächtige Schwester, nahe Königin,
gönne mir deinen Anblick,
von Angesicht zu Angesicht
gestatte mir zu stammeln,
zu flehen in Demut
oder gar in – 
in Stille ...»

 

Maria Stuart im Kerker schreibt an Königin Elisabeth
Brieffragment – nur unvollständig überliefert

Unterstützung

Wir danken unseren Sponsoren & Partnern für Ihre Unterstützung.

Elisabeth Bachtler Stiftung

Trägerschaft

Trägerschaft

Stadt Biel

Stadt Solothurn (mit Unterstützung von Kanton und Gemeinden der Repla Solothurn)

Kanton Bern

Gemeindeverband Kulturförderung Biel/Bienne-Seeland-Berner Jura

Impressum

Impressum

Aufführungsrechte:
Stephan Teuwissen

Herausgeber:

Theater Orchester Biel Solothurn TOBS!

www.tobs.ch

Saison 2024/25

Programm Nr. 4

 

Intendant: Dieter Kaegi
Schauspieldirektion: Olivier Keller | Patric Bachmann
Redaktion: Patric Bachmann

Gestaltung: Republica AG

Fotos: Joel Schweizer

Fotoauswahl: TOBS!

Januar 2025

Urheberrechte: Inhaber*innen von Urheberrechten, die vor Drucklegung nicht erreicht werden konnten, werden gebeten sich zu melden. Fotografieren, Filmen sowie Tonaufnahmen sind während der Vorstellung aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet.

Fotografieren, Filmen sowie Tonaufnahmen sind während der Vorstellung aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet.

Die Veranstaltungsplakate können an der Theaterkasse erworben werden.

Wir freuen uns über Ihre Rückmeldung zur Inszenierung: direktion[at]tobs.ch