Inhalt
Theater ist Wandel ist Zeit ist Leben Orlando lebt mehrere Jahrhunderte bis zum gegenwärtigen Moment. Seine Geschichte beginnt im 16. Jahrhundert. Sie macht ihn zum Geliebten von Königin Elisabeth I., lässt ihn an der Liebe zu einer russischen Prinzessin verzweifeln und führt ihn als vermögenden Adligen nach Konstantinopel. Nach einem siebentägigen Schlaf erwacht Orlando inmitten eines Aufstandes als Frau. Die politischen Wirren und die Sehnsucht nach der heimischen Natur bewegen sie dazu im 18. Jahrhundert nach England zurückzukehren. Dort geniesst Orlando vorerst die Freiheit in der Gesellschaft und kleidet sich nach Lust und Laune. Das biedere 19. Jahrhundert treibt sie dann zur Heirat mit Shelmerdine, einem Hochseekapitän, der schon beim nächsten Windstoss weiter zur See zieht.
Mit dieser fiktiven Biografie nimmt Virginia Woolf die Gesellschaft unter die Lupe und befragt die Rollen von Frau und Mann. Sie skizziert mit Orlando eine Figur,
Das TOBS! Schauspiel Ensemble fächert auf der Bühne die multiplen Identitäten Orlandos auf, beleuchtet sie kaleidoskopisch und feiert die fantastische und zeitenüberwindende Kraft des Theaters.
Premiere Solothurn
Fr 20.09.24 19:30
Premiere Biel
Di 08.10.24 19:30
Weitere Spielorte
- Do. 17.10.24 19:30
KKThun - Sa. 26.10.24 20:00
Tonhalle Wil - Do. 31.10.24 19:30
Casino Theater Burgdorf - Mi. 27.11.24 19:30
Equilibre, Fribourg - Di. 21.01.25 19:30
Casino Frauenfeld
Orlando - Auf den Punkt gebracht
Weitere Informationen
Mit französischer Übertitelung in Biel und Freiburg
Dauer: Ca. 2 Stunden 20 Minuten inkl. Pause
Altersempfehlung: 12+
«Die wirkliche Dauer eines Menschenlebens ist immer eine strittige Sache.»
Virginia Woolf, Orlando
Besetzung
Besetzung
Inszenierung Olivier Keller
Bühnenbild Dominik Steinmann
Kostüme Tatjana Kautsch
Musik Daniel Steiner
Lichtgestaltung Michael Nobs
Dramaturgie Patric Bachmann
Regieassistenz und Inspizienz Nora Bichsel
Regiehospitanz Yael Stricker
Materialrecherche «Orlando» Janna Mohr | Line Wickart
Übertitel SUBTEXT, Dòra Kapusta
Übertitelinspizienz Stephan Ruch
Biograf*innen Günter Baumann | Anna Blumer | Gabriel Noah Maurer | Janna Mohr | Fabian Müller
Königin Elisabeth I. Günter Baumann
Prinzessin Sasha Janna Mohr
Grossherzog*in Harriet/Harry Gabriel Noah Maurer
Nicolas Greene Anna Blumer
Shelmerdine Fabian Müller
Technik
Technik
Technischer Direktor Günter Gruber
Leitung Ausstattung und Werkstätten Vazul Matusz
Schreinerei Simon Kleinwechter (Leitung) | Steven McIntosh | Raphael Schärer
Malsaal Daniel Eymann (Leitung) | Julian Scherrer
Dekorationsabteilung Ursula Gutzwiller
Requisiten Line Wickart
Maske Schauspiel Barbara Grundmann-Roth (Leitung) | Mandy Gsponer
Leitung Schneiderei Gabriele Gröbel
Schneiderei Catherine Blumer | Nathalie Zürch (Gewandmeisterinnen Damen) | Janine Bürdel | Sarah Stock (Gewandmeisterinnen Herren) | Christine Wassmer (Admin. Stellvertreterin) | Kathrin Humbert | Dominique Zwygart
Ankleiderinnen Martina Inniger | Anja Wille
Technischer Leiter Adrian Kocher
Bühnenmeister Biel Samuele D'Amico
Bühnenmeister Solothurn Rémy Zenqer
Technische Einrichtung Peter Wiesmeier
Ton Alex Wittwer
und das Technik-Team TOBS!
Die Ausstattung wurde in den eigenen Werkstätten hergestellt.
Faszinosum Orlando; Reflexionen aus dem Team
Virginia Woolf hat 1928 einen Roman geschrieben, der einen Menschen beschreibt, der Jahrhunderte leben kann und durch alle möglichen Zeiten geht. Wer ist diese Figur? Bei einem Gespräch mit Produktionsbeteiligten zwischen den Proben gehen wir der Frage nach, was uns an Orlando fasziniert.
Günter Baumann
Günter Baumann
In einem fast hundert Jahre alten Roman lese ich zu meiner grossen Überraschung Betrachtungen über Fragen der Geschlechterzuteilungen als gesellschaftliches Konstrukt. Und das in einem ganz unaufgeregten, geradezu selbstverständlichen Ton. Das kontrastiert auffällig mit der Hysterie, mit der wir heute über diese Fragen diskutieren.
Abgesehen davon ist Orlando für mich die Geschichte eines Menschen mit grosser Sehnsucht nach dem Künstlerischen in sich selbst. In dieser Hinsicht erinnert er*sie mich sehr stark an Salieri in Peter Shaffers Amadeus, den ich vor ein paar Jahren spielen durfte. Und schon damals habe ich die Erfahrung gemacht, dass diese Sehnsucht von sehr, sehr vielen Menschen schmerzlich geteilt wird.
Yael Stricker
Yael Stricker
Orlandos Auseinandersetzung mit den verschiedenen Selbsten, verleiten einen dazu, selber in sich reinzuhören und sich mit seiner eigenen Persönlichkeit zu beschäftigen.
Gabriel Noah Maurer
Gabriel Noah Maurer
Virginia Woolf beschreibt eine faszinierende Sprunghaftigkeit, ein Hin und Her zwischen Verzweiflung und Hoffnung, Glück und Leid, Leben und Tod, Liebe und Kummer eines Menschen, der beide Geschlechter lebt und liebt.
Nora Bichsel
Nora Bichsel
Als Historikerin fasziniert mich die Figur Orlando, die mehrere Jahrhunderte lang lebt – und dabei, so scheint es, in keine Zeit so richtig hineinpasst. So können wir als Zuschauerinnen dabei zusehen, wie Orlando die Entwicklungen der jeweiligen Zeitalter und ihre eigenen Verwandlungen betrachtet, erlebt und kritisch hinterfragt.
Dominik Steinmann
Dominik Steinmann
Orlando nimmt uns als Zeitreisende*r mit durch verschiedene Zeitepochen und Gesellschaftssysteme auf dem Zeitstrahl der jüngeren Kulturgeschichte. Universell und zugleich berührend stellt sie*er virtuose Beobachtungen und Gedankenspiele vergangener Machtsysteme an. Orlandos Stimme, das ist ja eigentlich die Feder in Virginia Woolfs Hand: eine feministische und literarische Draufsicht auf diese unterschiedlichen Systeme. Es drängt sich die Frage auf, wer wäre Orlando heute, in einem Spektrum von gesellschaftlicher Unsicherheit, Konsumüberfluss und fluiden Geschlechtern. Virginia Woolf wüsste es.
Anna Blumer
Anna Blumer
Virginia Woolf ist eine coole Socke, ein gescheites Haus, ihrer Zeit voraus und humorvoll ohne Ende! Manchmal sehe ich in Orlando Virginias Suche nach ihrem Autorinnen-Selbst und wie sie über das Lesen von Literatur aus verschiedenen Zeiten zu ihrem Stil findet. Man begegnet im Stück skurrilen Figuren, die Virginia mit Liebe beschreibt und wir mit Wumms spielen! Daneben erzählen wir ein Märchen.
Olivier Keller
Olivier Keller
Orlando hat für mich eine tänzerische Leichtigkeit. Ich projiziere auf die Figur Orlando viele von meinen Leidenschaften für das Leben: Reisen, Zeitsprünge, Liebe, Sexualität und Freundschaft. Es berührt mich, dass Virginia Woolf diesen Text sozusagen als Liebesbrief an Vita Sackville-West geschrieben hat. Ich spüre beim Hören der Worte von Virginia Woolf die emotionale Überhöhung, die man beim Schreiben von leidenschaftlichen Liebesbriefen oft vornimmt. Das lässt mich träumen.
Patric Bachmann
Patric Bachmann
Mich fasziniert der Kosmos, in den wir mit Orlando eintauchen. Dieser beginnt bei der Autorin, bei Virginia Woolf. Virginia Woolf lebte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in London und bewegte sich dort in der Künstler*innenszene. In der Bloomsbury Group tauschten sich Intellektuelle über gesellschaftliche Fragen, ästhetischen Präferenzen und wissenschaftlichen Arbeitsbedingungen aus. Diese Themen veranlassten Virginia Woolf neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit, auch die eingeschränkten Möglichkeiten der Frau im Literaturbetrieb zu reflektieren und Position zu beziehen. Sie setzte sich sozusagen für die Sehnsucht nach dem Künstlerischen ein. In ihrem berühmten Essay «Ein Zimmer für sich allein» fordert sie das Bewusstsein ein, dass auch Autorinnen Geld und Raum benötigen, um künstlerisch tätig und erfolgreich sein zu können. Neben der Forderung nach wirtschaftlicher Unabhängigkeit spricht sie den Leser*innen bei der Beurteilung von Literatur grosse Eigenständigkeit zu. Sie hinterfragt in «Wie sollte man ein Buch lesen?», einem anderen vielbeachteten Essay, die Position der Literaturkritik und des damit geltenden Kanons. Virginia Woolf steht für eine Öffnung des eigenen Blickes und Horizontes ein. Das gefällt mir sehr; daher sind die beiden schmalen Bändchen (neu beim Kampa Verlag herausgegeben) in der Beschäftigung mit Orlando zu wichtigen Begleitern geworden.
© Tatjana Kautsch (Kostümskizzen)
Musik
Musiker Daniel Steiner über seinen Zugang zu Orlando
Die Recherche für das musikalische Konzept für «Orlando» rief mir das Album «Switched on Bach» der Komponistin Wendy Carlos in Erinnerung. Carlos, eine Pionierin der elektronischen Musik, veröffentlichte dieses Album 1968. Es besteht aus einer Sammlung von Stücken des Barockkomponisten Johann Sebastian Bach, die von Carlos auf einem Moog-Synthesizer, einem damals neuartigen elektronischen Tasteninstrument, interpretiert wurden.
Durch die Überführung barocker Harmonik in die für damalige Verhältnisse moderne Klangqualität des Synthesizers entstand eine noch nie gehörte musikalische Ästhetik, die «Switched on Bach» zum meistverkauften Klassikalbum seiner Zeit machte. Bis zur Veröffentlichung des Albums lebte Wendy Carlos als Mann unter dem Namen Walter Carlos. Der Fokus meiner Auseinandersetzung lag nicht primär auf diesem Aspekt, trotz der zufällig inhaltlichen Parallele zur Romanvorlage, sondern auf ihrem Wirken als Komponistin und Interpretin.
Da sich die Biografie von Orlando über verschiedene Epochen erstreckt, war mir Carlos’ Ansatz Orientierung und der Rückgriff auf Partituren unterschiedlichster Werke der Musikgeschichte naheliegend, u.a. von Clara Schumann, Johann Sebastian Bach oder Maddalena Casulana. Diese interpretierte ich im Studio neu; mit verschiedensten elektronischen und akustischen Instrumenten, digitalen Synthesizern sowie einem speziellen Kehlkopfmikrofon, das – wie der Name schon verrät – direkt am Hals auf der Höhe des Kehlkopfes angelegt wird und dadurch eine besondere Klangfärbung entwickelt. Gleichzeitig verfolgte ich den umgekehrten Ansatz; zeitgenössische Pop-Produktionen und Eigenkompositionen, beispielsweise im Stile geistlicher Musik der Renaissance zu bearbeiten.
Bühne
Kleiner Stern, grosser Impact
Es ist ein kleiner Stern, der seit geraumer Zeit grossen gesellschaftlichen Zunder birgt: der Genderstern. Das kleine Schriftzeichen Asterisk, wie seine korrekte Bezeichnung eigentlich ist, steht als Botschafter für eine vielfältige Gesellschaft und schliesst alle Geschlechter ein. Als kleines Schriftzeichen erhitzt er die Gemüter dabei so sehr, dass schon Verbannungsverbote gegen ihn gesprochen werden. Ist das bloss, weil er unsere Sprache verändert oder gar verhunzt, oder weil mit Sprache eben doch ein ganzes (Denk-)System gemeint ist und die Verlustängste tradierter Werte solche Drastik zulassen? Wenn dieser Stern als Komet in «die Bretter, die diese Welt bedeuten» einschlägt, dann ist die gesellschaftliche Wucht der Sprache gemeint, die Virgina Woolf so brilliant beherrscht hat. Und es soll Anlass sein, darüber nachzudenken wie offen und divers diese Bretter 2024 nun wirklich sind — als räumliches Gedankenexperiment wie sie Woolf bei Orlando immer wieder anstellt. Orlando schläft im Stück als Mann ein und erwacht als Frau. Eine literarische Setzung die aktueller nicht sein könnte: In einer Zeit, in der das duale Geschlechtersystem auf dem Prüfstand steht. Sind die gesellschaftlichen Chancen als Mann und Frau denn wirklich fair verteilt? Und welche Kraft hat Sprache in diesem feministischen Kampf?
Umhüllt ist der Stern von vielen Bahnen Stoff in den Farben der Vielfalt. Gewebt auf den industrialisierten Webstühlen des Fortschritts. Wir hängen sie uns als solidarischer Akt vor die Balkone und verändern dadurch wirklich die Welt?
Inszenierung
Den Roman auf der Theaterbühne zu erzählen, beginnt bei uns mit der Suche nach der Figur Orlando. Alle versuchen, Orlando zu greifen, von Orlando zu erzählen. Das fünfköpfige Erzähler*innen-Ensemble nimmt die Position von Virginia Woolf ein und führt uns durch dieses aussergewöhnliche Orlando-Leben. Dabei reichern wir die Setzung damit an, dass einige der Schauspielenden weitere Rollen spielen – von Menschen die Orlando prägen. Die Biograf*innen sprechen in die gesellschaftliche Gegenwart, indem sie sich immer wieder direkt ans Publikum wenden – im Roman ebenso wie in unserer Inszenierung. Die Fantasie des Publikums soll beflügelt werden. Uns fasziniert die Lust am Wandel. Orlando feiert die Möglichkeiten der Fiktion, ist voller Augenzwinkern; eigentlich unsere Vision dessen, was Theater kann. Es ist ein Spiel, ein Ausprobieren: Es gibt keine fixe Deutung. Was jede*r einzelne wahrnimmt an dem Abend, das ist eine legitime Interpretation. Theater soll ein gemeinsames Projekt sein, wir spielen mit der Offenheit.
«Kann es eine schrecklichere Entdeckung geben als die, dass es der gegenwärtige Augenblick ist? Dass wir den Schreck überhaupt überleben, ist nur deshalb möglich, weil die Vergangenheit uns auf der einen Seite schützt und die Zukunft auf der anderen.»
Virginia Woolf, Orlando
Unterstützung
Wir danken unseren Sponsoren & Partnern für Ihre Unterstützung.
Elisabeth Bachtler Stiftung
Impressum
Impressum
Herausgeber:
Theater Orchester Biel Solothurn TOBS!
www.tobs.ch
Saison 2024/25
Programm Nr. 1
Intendant: Dieter Kaegi
Schauspieldirektion: Olivier Keller | Patric Bachmann
Redaktion: Patric Bachmann
Übersetzung: Stefanie Günther Pizarro
Gestaltung: Republica AG
Fotos: Joel Schweizer
Fotoauswahl: TOBS!
September 2024
Fotografieren, filmen sowie Tonaufnahmen sind während der Vorstellung aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet.
Die Veranstaltungsplakate können an der Theaterkasse erworben werden.
Trägerschaft
Trägerschaft
Stadt Biel
Stadt Solothurn (mit Unterstützung von Kanton und Gemeinden der Repla Solothurn)
Kanton Bern
Gemeindeverband Kulturförderung Biel/Bienne-Seeland-Berner Jura